Konstruktive Gespräche zugunsten guter Stadtplanung, München
Bürgernahme und transparente Stadtplanung
Für den Entwurf eines Bebauungsplans im Bereich der Ottobrunner Straße führte die Stadt München ein Verfahren zur frühzeitigen Unterrichtung der Bürgerinnen und Bürger durch. Dabei wurden in der Öffentlichkeit massive Bedenken gegen das vorgesehene Verkehrskonzept erhoben. Das Planungsreferat der Stadt München hielt es daher im Sinne einer bürgernahen und transparenten Stadtplanung für erforderlich, die Anlieger stärker in den laufenden Planungsprozess einzubeziehen, als dies im gesetzlichen Bürgerbeteilungsverfahren an sich vorgesehen ist.
Werkstattgespräche zum Verkehrskonzept
Dazu wurde den Interessierten die Durchführung von „Werkstattgesprächen zum Verkehrskonzept“ unter der Leitung eines neutralen Mediators angeboten. Ziel war, sich in einem konstruktiven Dialog mit Bedenken, Wünschen und Anregungen aus der Bürgerschaft auseinander zu setzen. Zugleich sollten Zielkonflikte und Entscheidungsprozesse innerhalb der Stadtplanung aufgezeigt und das Verständnis füreinander gefördert werden. Dieser Vorschlag fand Zustimmung. Ein externer Mediator wurde beauftragt.
Vorbereitende Arbeiten
Der Mediator stellte nach entsprechender inhaltlicher Vorbereitung in einer Arbeitsgruppe mit Vertretern der Verwaltung, Mitgliedern des Bezirksausschusses und dem Verkehrsgutachter das von ihm entwickelte Konzept vor, zunächst in einer großen öffentlichen Auftaktveranstaltung der Bürgerschaft Anlass, Idee, Ziele und möglichen Ablauf des Beteiligungsverfahrens vorzustellen und zur Mitarbeit einzuladen. Daran sollten sich drei ganztägige Werkstattgespräche unter der Leitung des Mediators anschließen. In einer Abschlussveranstaltung sollte dann ein abschließendes Ergebnis herbeigeführt werden. Der Vorschlag wurde zustimmend aufgenommen.
Auftaktveranstaltung – Gereiztheit und Misstrauen
In der Auftaktveranstaltung mit etwa 200 Teilnehmern stellte der Mediator das entwickelte Konzept zur Diskussion. die Stimmung war überwiegend geprägt von Gereiztheit und Misstrauen. Das vorgeschlagene Vorgehen fand zwar Zustimmung und wurde als Angebot zu direkter demokratischer Mitwirkung gesehen. Es bestand aber auch erhebliche Skepsis, ob die Ergebnisse auch tatsächlich berücksichtigt würden. Der Umfang des Untersuchungsgebietes wurde festgelegt, ebenso die Teilnehmerauswahl und die Termine der Werkstattgespräche. Bei der Festlegung des Untersuchungsgebietes war besonders streitig aber auch wesentlich, dass dabei eine Straße, die Schmidbauerstraße, einbezogen wurde, die bisher überwiegend den Durchgangsverkehr aufnahm, nach den bisherigen planerischen Vorstellungen aber unterbrochen werden und gar nicht mehr in den Betrachtungen berücksichtigt werden sollte.
Die drei Werkstattgespräche
Im ersten Werkstattgespräch vier Wochen später erfolgte die Konstituierung der Teilnehmerrunde. Mit rund
45 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war sie relativ groß. Die Ziele der Werkstattgespräche wurden
festgelegt, und Kriterien zur Bewertung der Planungen entwickelt. Diese waren u.a. Verteilung der
Verkehrsbelastungen, Verhinderung von Durchgangsverkehr, hohe Verkehrssicherheit, attraktive
Straßenraumgestaltung, Lärmminimierung, aber auch Erreichbarkeit des übergeordneten Straßennetzes.
Abschließend erläuterte der Verkehrsgutachter seine Methodik zur Prognose der Verkehrsentwicklungen, gab
eine Darstellung des gegenwärtigen Ist-Zustandes und bewertete dann – durchaus kritisch – die bisherigen
planerischen Überlegungen.
Im zweiten Werkstattgespräch 14 Tage darauf wurden verschiedene Planungsvarianten erarbeitet. Hierzu
brachte zunächst der Verkehrsgutachter einen neuen Planungsvorschlag ein, mit verschiedenen Empfehlungen
zur Verkehrsminderung und zur besseren Verkehrsverteilung. Es wurden jedoch auch von den Anwohnern eigene
komplette Planungsvarianten unterbreitet. Da diese zahlreiche Qualitäten aufwiesen, wurde festgelegt, auch
diese gutachterlich zu bewerten und die Auswirkungen auf den Gesamtverkehr zu berechnen.
Im dritten Werkstattgespräch vier Wochen später stellte der Verkehrsgutachter zunächst die Ergebnisse
seiner Berechnungen für alle eingebrachten Planungsvarianten vor und empfahl die Realisierung der aus
seiner Sicht für alle Anlieger vorteilhaftesten. Diese beinhaltete insbesondere auch die Offenhaltung der
Schmidbauerstraße, um im Planungsgebiet und im angrenzenden Wohnungsgebiet unverträgliche
Verkehrsbelastungen durch Schleichwegverkehr zu vermeiden.
Das Ergebnis der Werkstattgespräche
Die Planungsalternativen wurden diskutiert. Die Teilnehmer des Werkstattgesprächs präferierten zwar eine noch weitergehende Maximallösung, mit einer völligen Unterbindung jeden Durchgangsverkehrs, erklärten jedoch ihr Einverständnis zu der vom Gutachter vorgeschlagenen Lösung für den Fall, dass die Maximalvariante in der abschließenden Anwohnerversammlung keine Zustimmung fände. Für den Lösungsvorschlag des Gutachters wurden ergänzende Bedingungen formuliert, die im Anschluss an die Werkstattgespräche von ihm noch in die von ihm vorgeschlagene Planungsvariante eingearbeitet wurden.
Die Abschlussveranstaltung – eine positive Erfahrung
In der abschließenden vom Mediator geleiteten Abschlussveranstaltungweitere sechs Wochen später, an der
erneut über 200 Personen teilnahmen, wurden die Ergebnisse der Werkstattgespräche vorgestellt. Der
Verkehrsgutachter erläuterte neben der von den unmittelbaren Anliegern favorisierten Maximalvariante die
von ihm empfohlene Variante, ergänzt um die Anregungen der Anwohner, und stellte dar, dass durch sie die
gemeinsam entwickelten Bewertungskriterien alle gut bis sehr gut erfüllt würden. Die Versammlung beschloss
daraufhin mit deutlicher Mehrheit die Ablehnung der Maximalvariante und stattdessen eine Empfehlung an den
Stadtrat, die vom Verkehrsgutachter entwickelte, optimierte Planungsvariante zu realisieren.
Diese Diskussion in der Abschlussversammlung war von hoher Sachlichkeit geprägt. Die Werkstattgespräche
wurden einheitlich als positive Erfahrung beschrieben. Die Gereiztheit und das Misstrauen, die Anliegen
und Bedürfnisse der Bürgerschaft würden nicht ausreichend ernst genommen, wie sie bei der
Auftaktveranstaltung vorherrschten, waren weitgehend verschwunden. Die Diskussion war bestimmt von dem
offensichtlichen Gefühl vieler Teilnehmerinnen und Teilnehmer, man sei in stärkerem Maße als bisher mit
den eigenen Besorgnissen und den Wünschen ernst genommen worden und habe Gelegenheit zur Mitsprache
erhalten.
Feedback
- „Es hat Spaß gemacht.“
- „Ich würde es auf jeden Fall nochmals machen.“
- „Wir haben alle viel gelernt, und jeder fühlt sich schon wie ein kleiner Verkehrsexperte.“
- „Besonders gut fand ich, dass die Vertreter der Verwaltung unseren Vorschlägen gegenüber offen waren.“
- „Es war wichtig, die Schmidbauerstraße in die Gespräche mit einzubeziehen – auch wenn die Stadt erst gezögert hat.“
- „Wenn die Gespräche nicht gewesen wären, dann wäre keine Bewegung in die Sache gekommen.“
- „Es war eine ehrliche Veranstaltung.“
(Dokumentation: „Vom Minus zum Plus“ – Im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern zur gemeinsam getragenen Verkehrslösung.“ Werkstattgespräche zum Verkehrskonzept des Bebauungsplans Grünordnung Nr. 1638 Ottobrunner Straße (östlich), herausgegeben von der Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung HA II Stadtplanung, Blumenstraße 28b, 80331 München, Email plan.ha2-3@muenchen.de)
Lesen Sie auch Fallbeispiel 2.